Ist dir die Abendstille im Büro bereits vertraut, wenn du feststellst, dass deine Arbeitsschicht wieder einmal in die Länge gezogen wurde? Ein Blick auf die Uhr und du erkennst, dass es nicht das erste Mal ist, dass du länger bleibst, um ein Projekt abzuschließen oder Aufgaben für deine Vorgesetzten zu erledigen.
In einer Studie aus dem Jahr 2019 von Compensation Partner wurde aufgedeckt, dass mehr als jeder zweite Beschäftigte in Deutschland mehr arbeitet, als sie/er müsste – entweder aufgrund des Vertrages oder tariflicher Regelungen. Im Schnitt sammeln Arbeitnehmer*innen wöchentlich 3,03 Stunden zusätzlich an, wobei Fachkräfte durchschnittlich 2,7 und Führungspersonal 7,8 Überstunden verzeichnen. Hochgerechnet sind das zwischen 192 und 471 zusätzliche Arbeitsstunden pro Jahr. Die Daten zeigen zudem, dass Personen in höhergestellten Positionen oder mit höherem Gehalt tendenziell länger arbeiten und häufig nur etwa die Hälfte dieser Stunden vergütet wird. Aber ist das überhaupt zulässig?
Definition Überstunden
Überstunden sind definiert als die Zeit, die über die im Vertrag oder tarifrechtlich festgelegte Arbeitszeit hinausgeht, wie sie schriftlich zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeberin vereinbart wurde.
Beispiel: Laut deinem Arbeitsvertrag beträgt deine wöchentliche Arbeitszeit standardmäßig 40 Stunden. Leistest du in einer Woche 45 Stunden Arbeit, so hast du 5 Überstunden gemacht. Zulässigkeit von Mehrarbeit und deren Abgrenzung Das genaue Maß an zulässigen Überstunden ist nicht spezifisch gesetzlich festgeschrieben. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt lediglich fest, dass die tägliche Arbeitszeit von Arbeitnehmer*innen im Prinzip die 8-Stunden-Marke nicht überschreiten sollte. Bei einer 6-Tage-Arbeitswoche ergibt sich somit eine Maximalarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche. Jegliche Arbeitszeit darüber hinaus zählt als Mehrarbeit.
Allerdings bedeutet Mehrarbeit nicht automatisch Überstunden. Arbeitsrechtlich ist Mehrarbeit die Zeit über die gesetzlichen oder tariflichen 8 Stunden pro Tag hinaus. Unter gewissen Bedingungen ist es allerdings erlaubt, dass Mitarbeiter*innen temporär bis zu 10 Stunden täglich bzw. 60 Stunden wöchentlich arbeiten. Entscheidend ist dabei, dass die Mehrarbeit durch Freizeit ausgeglichen wird, sodass die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen 8 Stunden pro Tag nicht übersteigt.
Regelungsspielraum für Vorgesetzte bezüglich Überstunden
Grundsätzlich kann nicht jeder Vorgesetzte Überstunden einseitig verlangen, es sei denn, es existiert eine konkrete Regelung im Arbeitsvertrag. Nach dem Direktionsrecht dürfen Arbeitgeberinnen die Details zur Arbeitszeit (Beginn, Ende, Pausen, Gleitzeiteinführung) festlegen, vorausgesetzt, es besteht keine explizite arbeitsvertragliche Regelung.
Nur im Falle unausweichlicher Notlagen dürfte eine Führungskraft dir gegen deinen Willen mehr Arbeit auftragen. Als Notfälle zählen nicht kurzfristige Geschäftsaufträge, sondern unvorhersehbare Ereignisse wie Brände oder Überschwemmungen.
Sonderbestimmungen für Auszubildende und Schwangere im Mutterschutz
Für volljährige Auszubildende gelten die normalen Gesetze zum Arbeitszeitgesetz. Minderjährige hingegen müssen sich nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) richten.
Ebenfalls besondere Regelungen bestehen für schwangere oder stillende Frauen laut Mutterschutzgesetz (MuSchG), die die Arbeitszeit beschränken und Überstunden generell verbieten.
Tatsächliche Verpflichtung zur Leistung von Überstunden
Als Arbeitnehmer*in bist du generell nicht automatisch zur Ableistung von Überstunden verpflichtet – es sei denn, es existiert eine individuelle Vereinbarung, ein entsprechender Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine Klausel im Arbeitsvertrag. Ob und wie Überstunden vergütet werden, richtet sich in der Regel nach dem individuellen Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
Teilzeitbeschäftigte und Überstunden
Auch Teilzeitkräfte müssen ohne konkret vertragliche Vereinbarung nicht zwingend Überstunden machen. In akuten Notlagen ist jedoch auch hier Überstundenarbeit zulässig.
Für Selbstständige: Eigenes Arbeitspensum
Bei Selbstständigen legt das Arbeitszeitgesetz keine Höchstarbeitszeiten fest. Mehrarbeit ist oft Bestandteil des Selbstständigenalltags.
Unbezahlte Überstunden können verschiedene rechtliche Konsequenzen sowohl für Arbeitnehmerinnen als auch für Arbeitgeberinnen haben, abhängig vom jeweiligen Arbeitsrecht des Landes. Im Folgenden mit Bezug das deutsche Arbeitsrecht.
Für Arbeitgeber*innen:
- Vergütungspflicht: Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf Vergütung ihrer Arbeit haben. Dies schließt Überstunden ein – es sei denn, es wurde vertraglich anders vereinbart. Führen Arbeitnehmerinnen Überstunden aus, die vom Arbeitgeber verlangt oder gebilligt wurden, sind diese grundsätzlich zu vergüten.
- Risiko arbeitsrechtlicher Klagen: Arbeitnehmer*innen können ihren Vergütungsanspruch gerichtlich geltend machen, sollte die Vergütung ausbleiben. Es kann vorkommen, dass Arbeitsgerichte nicht nur die Vergütung der geleisteten Überstunden anordnen, sondern auch Zinsen dafür festsetzen.
- Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Missachtung der im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) festgelegten Höchstarbeitszeiten kann zu Ordnungs- und Bußgeldern führen. Darüber hinaus kann es bei Verstößen gegen Arbeitsschutzbestimmungen zur Ahndung durch die zuständige Behörde kommen, die sogar im Extremfall einen Betriebsstopp verhängen kann.
- Reputationsschäden: Neben den juristischen Folgen können unbezahlte Überstunden das Unternehmensimage schädigen. Negative Presse oder Mundpropaganda kann die Arbeitgebermarke beeinträchtigen und zu Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung führen.
Für Arbeitnehmer*innen:
- Erholungszeiten: Unbezahlte Überstunden können sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Arbeitnehmer*innen auswirken, da weniger Zeit für Erholung und Privatleben bleibt.
- Nachweisproblematik: Auf praktischer Ebene kann das Hauptproblem für Arbeitnehmerinnen darin bestehen, ihre Überstunden nachzuweisen, besonders wenn diese nicht dokumentiert sind. Hierzu sollten Arbeitnehmerinnen eine genaue Aufzeichnung ihrer Arbeitszeiten führen.
- Verjährung von Ansprüchen: Im deutschen Arbeitsrecht verjähren Lohnansprüche grundsätzlich nach drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind. Unbezahlte Überstunden, für die bis zu diesem Zeitpunkt kein Antrag gestellt wurde, können nicht mehr eingefordert werden.
- Kündigungsrisiko: Während Arbeitnehmer*innen gesetzlich davor geschützt sind, wegen der Forderung nach vergüteten Überstunden gekündigt zu werden, besteht dennoch ein gewisses Risiko, dass Arbeitgeber mit Kündigung oder anderen Vergeltungsmaßnahmen reagieren könnten, insbesondere in Ländern ohne starken Kündigungsschutz oder in Fällen, wo die Beweislage schwierig ist.
- Erschöpfung und mögliche Gesundheitsfolgen: Überstunden, insbesondere wenn sie unbezahlt bleiben, können zu erhöhtem Stress, Übermüdung und gesundheitlichen Problemen führen.
Es ist wichtig, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen sich ihrer Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Vergütung von Überstunden bewusst sind, um rechtliche und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Während Arbeitnehmer*innen Anspruch auf eine Vergütung für Überstunden haben, besteht die Verpflichtung der Arbeitgeber, die Einhaltung der Arbeitszeiten und deren Dokumentation sicherzustellen.
Wichtige Informationen im Überblick:
Überstunden dürfen einseitig nur unter bestimmten Bedingungen oder in Ausnahmefällen gefordert werden. Fehlt eine explizite Vertragsregelung zur Vergütung von Überstunden oder zum Freizeitausgleich, besteht grundsätzlich ein Vergütungsanspruch. Das Arbeitszeitgesetz sieht eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden (Montag bis Samstag) vor, gemittelt über einen Zeitraum von 6 Monaten. Dokumentiere stets deine Überstunden. Bei Anordnung durch Vorgesetzte fordere eine schriftliche Bestätigung.